Risikoklassifizierung
Für die Risikoklassifizierung entwickelt die Sparkassen Rating und Risikosysteme (SR) Lösungen zur Messung und Bewertung des Adressenrisikos.
Die Risikoklassifizierung erlaubt die Einordnung, Unterscheidung und den Vergleich von Kund:innen gemäß ihres Risikogehalts. Es erfolgt eine Klassifizierung und damit eine grundlegende Bewertung von Risiken, die auch als Basis für weitere Bewertungen dienen kann. Die SR unterstützt die Institute der Sparkassen-Finanzgruppe dabei mit verschiedenen Rating-Verfahren, bei der Messung von Nachhaltigkeitsrisiken, in der Verlustschätzung sowie mit dem Hard Test und dem Frühwarnsystem.
Verfahren im Rating und Scoring
Ein Rating dient als Messinstrument und soll eine Bonitätsaussage zu eine:r Kund:in treffen. Um eine Bonitätsaussage für das Rating zu treffen, braucht es Scores. Die gesammelten Scores ergeben dann die Bonitätsaussage. Das Rating drückt zusammenfassend die Ausfallwahrscheinlichkeit und damit die Kreditwürdigkeit – die Bonität – einer Person aus.
Die Scoring-Note bzw. Rating-Klasse gibt die Ausfallwahrscheinlichkeit eines Kund:innenkredits innerhalb der nächsten 12 Monate an. Eine Ausfallwahrscheinlichkeit von 2 Prozent bedeutet zum Beispiel, dass innerhalb des nächsten Jahres 2 von 100 Kund:innen zahlungsunfähig werden. Ein Ausfall ist eingetreten, wenn es als unwahrscheinlich anzusehen ist, dass das Unternehmen bzw. ein:e Kund:in Verbindlichkeiten in voller Höhe begleichen wird, ohne dass auf Maßnahmen, wie die Verwertung von Sicherheiten zurückgegriffen werden muss.
Die SR hat für die Institute der Sparkassen-Finanzgruppe verschiedene Ratings und Scorings entwickelt:
Wie die meisten Rating-Instrumente ist das Sparkassen-KundenScoring (SKS) ein mathematisch-statistisches Prognoseverfahren. Das SKS unterstützt die Institute der Sparkassen-Finanzgruppe bei der objektiven Bonitätseinschätzung ihrer Privatkund:innen. Die Basis für das SKS sind Informationen über die Kund:innen z. B. persönliche Daten oder das bisherige Zahlungsverhalten. So wirken sich bspw. regelmäßige Gehaltseingänge und eine Kontoführung im Rahmen des vereinbarten Dispositionskredites positiv auf das Scoring-Ergebnis aus. Negativen Einfluss haben dagegen Kontoüberziehungen, die nicht im Vorfeld abgesprochen wurden, oder Lastschriften, die mangels Kontodeckung nicht eingelöst werden konnten. Je nach Aktualität und Verfügbarkeit der Informationen bildet das SKS verschiedene Informationsgruppen (Module). Diese enthalten jeweils mehrere Merkmale. Die Bewertung der individuellen Merkmalsausprägungen erfolgt mit Punkten. Unter Berücksichtigung der individuellen Kund:innensituation und des Scoring-Anlasses erfolgt die Zusammenführung dieser Punkte zur individuellen Scoring-Note. Das SKS unterstützt die Sparkasse, Landesbank oder Landesbausparkasse (LBS-KS) bei Kreditentscheidungen, bei der Vertriebssteuerung, der Portfoliosteuerung und der risikogerechten Bepreisung. Es erkennt ausfallgefährdete Kund:innen frühzeitig, damit entsprechende Maßnahmen eingeleitet werden können.
Mit dem Sparkassen-StandardRating (STR) werden Kreditnehmende bewertet, deren Einkommen zum überwiegenden Teil aus einer gewerblichen oder freiberuflichen Tätigkeit resultiert bzw. resultieren wird. Beim STR spielt zunächst die Jahresabschlussanalyse eine wichtige Rolle. Insbesondere HGB- und IFRS-Bilanzen sowie Einnahmen-Überschuss-Rechnungen können dabei berücksichtigt werden. Aus den Informationen des Jahresabschlusses werden Kennzahlen ermittelt, die die Vermögens-, Finanz- und Ertragslage des Unternehmens abbilden, wie z. B. die Eigenkapitalquote. Aber auch qualitative Faktoren wie beispielsweise die Qualität der Unternehmensführung und -planung sowie Kontoinformationen, die Rückschlüsse über das bisherige vereinbarungsgemäße Verhalten des Unternehmens bzw. eine:r Kund:in geben, fließen in die Bewertung ein. Warnsignale (z. B. Lastschriftrückgaben) sind Informationen, die eine kurzfristig bevorstehende Liquiditäts- oder Zahlungskrise signalisieren. Sie führen zu Notenabschlägen. Risiken und Chancen der Einflüsse von Konzernstrukturen werden über den Haftungsverbund abgebildet.
Das KundenKompaktRating (KKR) dient der überwiegend automatisierten, regelmäßigen Bewertung gewerblicher Kund:innen mit geringem bis mittlerem Kreditvolumen. Es ist geeignet für Kund:innen mit einem Kreditvolumen innerhalb des vom Institut festgelegten Anwendungsbereiches (maximal 750 TEUR). Sowohl Antrags- als auch Bestandsbewertungen sind möglich.
Das KKR kann die bereits genutzten Finanzprodukte, Kund:inneninformationen und das bisherige Zahlungsverhalten berücksichtigen.
Das Sparkassen-ImmobiliengeschäftsRating (SIR) ermöglicht den Instituten, ihre Kund:innen bestmöglich bei der Finanzierung von kommerziellen Immobilien zu begleiten. Kommerzielle Immobilien sind Objekte, bei denen der Kapitaldienst für die aufgenommenen Darlehen aus den erwirtschafteten Einkünften wie Mieteinnahmen oder Verkaufserlösen erbracht werden soll. Dies können Bauträger, Investoren, Wohnungsunternehmen, Immobilienfonds, Einzweckgesellschaften und BGB-Gesellschaften o. Ä. sein. Beim SIR steht die Immobilie als einzige oder überwiegende Einkommensquelle der Kreditnehmenden im Mittelpunkt der Betrachtung. Im Rahmen des Ratings werden sowohl der Kreditnehmende als auch die Investitionsobjekte auf Risikoaspekte hin analysiert.
Das ProjektfinanzierungsRating (PRF) ermöglicht den Instituten, das Risiko von Finanzierungen im Bereich Erneuerbare Energien passgenau einzuschätzen. Die Anwendung wird in Kooperation mit der RSU GmbH & Co. KG angeboten. Der Anwendungsbereich des PRF umfasst Finanzierungen, bei denen die Kreditzusage maßgeblich auf den zukünftigen Cash-Flows aus dem Betrieb der Anlage basiert – und nicht auf der generellen Vermögenslage oder Kreditwürdigkeit der Eigentümer:in der Anlage. Beim PRF steht demnach die Projektperformance als Kern des Risikos der Finanzierung im Mittelpunkt der Betrachtung. Oftmals erfolgt die Projektrealisierung durch eine Einzweckgesellschaft (Special Purpose Vehicle, SPV).
Verlustschätzung
Wenn Kreditnehmende ausfallen, müssen die Verlustdaten aus der Abwicklung gemäß der MaRisk gesammelt werden. Dazu gehören alle Informationen, die Zahlungsflüsse nach Ausfall der Kreditnehmenden betreffen, sowie die historischen Werte der Kreditsicherheiten. Auf dieser Datengrundlage können Verwertungs-, Einbringungs- und Verlustquoten ermittelt werden. Die Kalkulation der Risikokosten für künftige Geschäfte setzt auf diesen Werten auf. Die Verlustdaten der einzelnen Institute werden im Verlustdatenpool der Sparkassen-Finanzgruppe bundesweit gesammelt. Dadurch verfügen alle Institute über eine repräsentative Verlustquotenschätzung. Mit dem Betriebswirtschaftlichem Bericht zur Verlustschätzung erhalten die Institute ein umfassendes Feedback über die eigenen gelieferten Daten (inklusive der Pooldaten) und den daraus abgeleiteten Parametern.
Hard Test
Kreditinstitute haben die Möglichkeit, Wohn- und Gewerbeimmobilien mit einem verminderten Risikogewicht und damit einem geringerem Eigenkapitalanteil zu unterlegen. Für dieses Privileg sind der Aufsicht mit dem "Hard Test" (mindestens jährlich) Verluste aus ausgefallenen privilegierten Wohn- und Gewerbeimmobilien zu übermitteln. Da meistens die Immobilien im Jahr des Ausfalles noch nicht verwertet sind, wird der Verlust bei diesen Objekten auf Basis der Parameter "Verwertungsquote", "Gemeinkostenquote" und "Kundenbezogene Verwertungswahrscheinlichkeit" geschätzt. Die einzuhaltenden Höchstverlustraten gelten deutschlandweit für alle Institute, die von der Immobilienkreditprivilegierung Gebrauch machen.
Frühwarnsystem
Das Frühwarnsystem unterstützt die Institute der Sparkassen-Finanzgruppe bei der rechtzeitigen Identifizierung von Kreditnehmenden, bei denen sich erhöhte Risiken im Kreditgeschäft abzeichnen. Dank diverser Frühwarnindikatoren, wie z.B. Warnsignale über Überziehungen oder Pfändungen des Kontos, werden auffällige Kreditnehmende frühzeitig erkannt und anhand von hinterlegten Schwellenwerten systemseitig ein Betreuungsvorschlag gemacht. So können rechtzeitig geeignete Gegenmaßnahmen eingeleitet werden, z. B. Überführung in die Intensivbetreuung oder Sanierung, sodass eine engere Begleitung durch die Sparkasse erfolgen kann.
Nachhaltigkeit
Nachhaltigkeit hat in der Finanzwirtschaft stark an Bedeutung gewonnen. Dies spiegelt sich in vielen globalen Initiativen und in einer rasant zunehmenden Zahl von Maßnahmen auf europäischer und nationaler Ebene wider. Dabei spielen unter anderem die Erwartungen der nationalen und europäischen Aufsichtsbehörden eine große Rolle, dass umweltbezogene, soziale und die Unternehmensführung betreffende Aspekte in die Prozesse und Verfahren zu integrieren sind.
Die SR unterstützt die Institute der Sparkassen-Finanzgruppe mit der Bereitstellung eines Instruments zur systematischen Analyse des Nachhaltigkeitsgrads und der damit verbundenen Risiken: der Sparkassen-ESG-Score (S-ESG-Score). In den Score fließen Informationen der Kunden, deren Branchen und ggf. finanzierten Immobilien bezüglich ihrer Nachhaltigkeitsrisiken aus den verschiedenen Bereichen.
Dabei stehen die drei Buchstaben E, S und G für Folgendes:
- „E“ für Environmental/Umwelt (z. B. Emissionen, Ressourcenverbrauch, Öko-Abgaben)
- „S“ für Social/Soziales (z. B. arbeitsrechtliche Standards, gleichberechtigte Vergütung)
- „G“ für Good Governance/gute Unternehmensführung (z. B. Anti-Korruptions-Maßnahmen, Menschenrechte in der Lieferkette)